Subject Esq.

Neben Amon Düül II waren die Subjects unsere zweite befreundete „Hausband“.
Ihre Mitglieder waren allesamt ein paar Jahre jünger als die Düüls, was einen entscheidenden Unterschied bedeutete. Während die Düüls schon in Schwabing im Umkreis von Uni und Akademie agierten, waren die Subjects noch eine Schülerband, die anfangs in einem Freizeitheim in Laim auftrat.
Auch musikalisch konnten die beiden Bands unterschiedlicher nicht sein – die Subjects orientierten sich mehr am Blues-Rock, klangen eher wie Jethro Tull oder  John Mayall, als dessen Vorgruppe sie 1969 im BlowUp auftreten durften – ein Ritterschlag für eine lokale Amateurband!

Dennoch gab es eine Querverbindung. Rüdiger Nüchtern (der einen Film über Amon Düül II gedreht hatte) und seine Partnerin Ingeborg Schober (die später ein Buch über die Düüls veröffentlichen wird) bildeten zusammen mit den Subjects das Kollektiv „Rock & Film Theater“.
Und es gibt auch eine weitere Parallele: Irmgard setzte sich, wie schon bei den Düüls, dafür ein, daß die Subjects einen Plattenvertrag bekommen.
Dieser kam tatsächlich zustande, diesmal aber nicht bei der Firma Liberty sondern bei der deutlich renommierteren CBS.

Im März 1972 gingen die Subjects also ins Münchner Union-Studio, um die langersehnte Platte aufzunehmen. Es gab allerdings schon große Probleme: Gitarrist Peter Markl hatte die Band kurzfristig und wohl im Streit um den Plattenvertrag verlassen. Die Stücke mußten umarrangiert werden. Als neuer Gitarrist kam Paul Vincent (Gunia) in die Band, der bei Klaus Doldinger gespielt hatte. Er war einer der besten deutschen Gitarristen, spielte später bei verschiedenen bedeutenden Bands und wurde auch einer der gefragtesten Studiomusiker. Und zu allem Unheil verunglückte der CBS-Produzent Hermann Zentgraf einen Tag vor Aufnahmebeginn tödlich. Die Sterne standen also nicht gerade glücklich.

Dennoch verliefen die Aufnahmen sehr zufriedenstellend, immerhin hatte man als Toningenieur Reinhold Mack gewinnen können, der sich später als Produzent von Queen und dem Electric Light Orchestra internationalen Ruhm erwarb.

Eigentlich konnte mit diesen unverhofften Änderungen nichts schief gehen. Im Juni 1972 erschien die Langspielplatte. Die Band nannte sich nun etwas hochtrabend „Subject Esq.“ Cover und Schriftzug waren etwas dilettantisch selbst gestaltet, aber zumindest farblich voll im Trend, orange, gelb und rot waren total angesagt. Musikalisch hatten die Subjects einen leichten Stilwandel vollzogen, sie spielten eine typische Studio-CD ein, orientierten sich nun nicht mehr so stark am Blues-Rock, sondern gingen eher in Richtung des ProgRock, glaubten offenbar, daß möglichst viele Rhythmuswechsel Zeugnis besonderer Musikalität seien. Die Rezensionen der LP waren jedenfalls durchaus unterschiedlich.

Die Hoffnungen auf eine große Karriere zerstoben recht bald. Die Firma CBS hatte mitnichten ein großes Interesse an der Band. Die LP wurde nur zögerlich ausgeliefert, es wurde keinerlei Werbung gemacht. Enttäuscht von den nur leeren Versprechungen lösten die Subjects den Vertrag. Ein Jahr später nahmen sie für die Münchner Firma Ariola eine zweite LP auf mit dem Titel „Sahara Sunrise“. Wieder mit dem legendären Produzenten Mack, diesmal aber im ebenso legendären Musicland-Studio, in dem weltberühmte Bands wie Queen oder die Stones aufgenommen hatten. Als Gitarrist nun dabei: Nick Woodland, eines der Urgesteine der Münchner Szene.

Fortan nannten sich die Subjects nicht mehr Subject Esq. sondern Sahara.
Für uns sind sie aber immer die Subjects geblieben.
Nach einigen Unterbrechungen haben sich Sahara wieder zusammengefunden und sie spielen noch heute, über fünfzig Jahre nach der Gründung, in Konzerten.

Unsere Wege haben sich recht bald getrennt, nur gelegentlich haben uns Mitglieder der Subjects besucht. Was vielleicht an der gemeinsam erlebten Enttäuschung lag. Ich weiß heute nicht mehr, ob es daran lag, daß wir recht bald die Aufbauarbeit für die Subjects eingestellt haben, unsere Info-Zeitschrift war ja schon fast zur Subjects-Fanpostille geworden. Irgendwie, so scheint es, war aber die Luft raus, die Energie verpufft. Die Realität hatte gesiegt. Aus Begeisterung wurde Ernüchterung.

Peter Markl, der frühere Gitarrist der Subjects, schildert das so:
„Vom Herbst 68 …bis zum Dezember 71 war ich Leadgitarrist bei den Subject Esq. und ich kenne die Vorgänge zumindest teilweise aus erster Hand…Wie war das mit dem Plattenvertrag? Nachdem im Frühjahr 71 Verhandlungen mit mehreren Plattenfirmen gescheitert waren, startete Frau Irmgard Weigelt, die in München einen Plattenshop besitzt und innerhalb der Münchner Scene recht bekannt ist, für die Gruppe eine Unterschriftensammlung… Das gleiche hatte Frau Weigelt Jahre zuvor für Amon Düül gemacht – dort wurde es ein Erfolg, wie jeder sieht.
Die Unterschriftensammlung ging an CBS Deutschland und nach einigem Hin und Her kam der bewußte Vertrag zustande. Der Vertrag enthielt nur Verpflichtungen für die Musiker, nicht aber für die Plattenfirma. Das einzige Zugeständnis bestand praktisch darin, daß die Gruppe eine Platte machen durfte. Ich war damals noch Mitglied der Gruppe und gegen den Vertrag, tat es aber auf Drängen der anderen schließlich doch. Einen Monat später stieg ich bei den Subjects aus bzw. wurde ausgestiegen…“
Peter Markl nennt dann Gründe für den Mißerfolg:
„Subject Esq. ist eine Amateurband mit all den Hangups einer solchen: Finanzielle Abhängigkeit vom Elternhaus und Beruf, räumliche Gebundenheit an eine Stadt, keine Zeit für verkaufsfördernde Tourneen, kein richtiges Management. CBS ist ein profitorientiertes kapitalistisches Großunternehmen, das nur dort investiert, wo mit großer Sicherheit Gewinn zu erwarten ist und wenig Risiko besteht… Promotion für eine Amateurgruppe, die ihren heimischen Landkreis vielleicht nur zwei Mal im Jahr für 14 Tage verlassen kann, lohnt sich nicht…Es wurden, soweit meine Information reicht, ca. 1.200 Platten verkauft. Argumentieren kann man mit einer Firma wie CBS erst bei mindestens fünfstelligen Zahlen. Auch rechtlich steht in einem solchen Fall jede Gruppe auf verlorenem Posten, keiner hat die Mittel, um gegen solch einen Vertrag mit einer Firma wie CBS zu prozessieren. In der Tat ist es so, daß Subject Esq. sich mit ihrer LP selbst in eine solche Pleite hineinmanövriert haben: im Vertrauen auf ihr musikalisches Können und in Unkenntnis der Marktverhältnisse.“

Soweit Peter Markl. Auch wenn man in Betracht zieht, daß sein Text wegen der Streitereien innerhalb der Band etwas vorwurfsvoll klingt, so gibt Markl im Folgenden anderen Gruppen den Rat, vorsichtiger und auch selbstkritischer zu sein, wie er es formuliert:
„wirklich versuchen objektiv zu sein bei der eigenen Musik und des Könnens, das man mitbringt. Die richtigen Maßstäbe dabei anlegen (nicht Birth Control, sondern Led Zeppelin)…Und besser spielen“
(
Quelle: Riebe’s Fachblatt für die deutsche Musikerszene, Januar 1973)

Weshalb ich das so ausführlich zitiere? Weil es symptomatisch ist für die damalige Zeit. Die eigene Begeisterung prallte ab an einer Gummiwand der ignoranten Musikindustrie. Man war beseelt von der eigenen Energie, lief aber letztlich ins Leere. So erfreulich es gewesen sein mag, mit einer eigenen Platte unter dem Arm rumzulaufen – die Hoffnungen auf eine Karriere haben sich selten erfüllt.

Und letztlich hatten wir im SHIROKKO natürlich erkannt, daß sich auch die ‚local heroes‘ an internationaler Qualität messen mußten. Die Einschätzung „für eine deutsche Band erstaunlich gut“ war uns zu wenig. Wir haben jedenfalls nie mehr einen derartigen Einsatz für eine Band geleistet.

Gerhard Rühl, 16. März 2017

 

Während der Recherche zu diesem Artikel habe ich erfahren, daß Paul Vincent Gunia am 25. Oktober 2016 im Alter von 65 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben ist. Mein Mitgefühl gilt seiner Frau Monika und seinen Söhnen Daniel und Oliver.
Paul war ein excellenter Musiker und ein fröhlicher und umgänglicher Mensch. Wir werden ihn in ehrendem Andenken bewahren.

 

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