ECM RECORDS

In den sechziger Jahren gab es in der Gleichmannstraße in München-Pasing ein Geschäft namens  Elektro-Egger. Im ersten Stock, hinter Kühlschränken und Waschmaschinen, befand sich eine Abteilung für Jazz-Platten, geleitet vom (vor kurzem verstorbenen) Manfred Scheffner, einem der besten Jazz-Experten weltweit.
Zum Kenner Scheffner und dem Geschäftsmann Egger gesellte sich alsbald der Bassist Manfred Eicher, und die drei faßten einen mutigen Beschluß: sie gründeten das Label ECM (Edition Of Contemporary Music).

Am 24. November 1969 fand die erste Studioaufnahme für ECM statt, „Free At Last“ von Mal Waldron, damals noch produziert von Manfred Scheffner. Doch Manfred Eicher entdeckte schnell sein Talent, außergewöhnliche Musik und Musiker aufzuspüren und deren Werke zu produzieren. In den beiden folgenden Jahren gesellten sich so Künstler zu ECM, die noch heute Superstars der Szene sind, wie z.B. Keith Jarrett, Chick Corea und Jan Garbarek.

Ein halbes Jahr nach ECM gründeten wir das SHIROKKO, weil das aber zunächst eher ein Hippie-Shop war, hatten wir mit dem anspruchsvollen Jazz von ECM nicht viel am Hut. Das sollte sich aber ändern, denn mit Chick Coreas „Return To Forever“ (1972) und Keith Jarretts „Köln Concert“ (1975) hatten bald auch wir hochkarätige ECM-Aufnahmen im Programm.

In der Folge entwickelte sich ECM, dank der erstklassigen Künstler und der herausragenden Klangqualität zu einem der wichtigsten Jazz-Labels, sicherlich auf eine Stufe zu stellen mit dem legendären Label „Blue Note“. 1984 schien Manfred Eicher die Bezeichnung „Jazz“ wohl zu einengend und er gründete das Unter-Label „New Series“. Dort fanden sich bald große Namen ein wie Gidon Kremer oder András Schiff, Komponisten wie Steve Reich oder Arvo Pärt, dessen CD „Tabula Rasa“ der Startpunkt eines zweiten musikalischen Weges war.
Doch damit gab sich Manfred Eicher noch lange nicht zufrieden. Er veröffentlichte Außergewöhnliches wie z.B. die Vokalkunst von Meredith Monk, in den späteren Jahren auch modernste Klänge wie z.B. von Nils Petter Molvaer – und er ebnete den Hörern den Zugang zu skandinavischem Jazz und zu fremden Musikkulturen, vornehmlich denen des Ostens und des Orients. So finden sich auf ECM auch Orchesterwerke armenischer Komponisten oder die arabische Musik von Anouar Brahem.

Damit ist die Bandbreite von ECM aber noch lange nicht umfassend beschrieben. So wie sich Manfred Eicher mit seinem Team nicht auf einen Musikstil einengen läßt, so hat er der weltweiten Fangemeinde den Zugang ermöglicht und die Ohren für subtile Klänge geöffnet, gemäß der ECM-Maxime „the most beautiful sound next to silence“ – schöner ist nur die Stille. Ohne jeden Zweifel ist ECM Records damit eines der wichtigsten Labels weltweit, was die vielen Buchveröffentlichungen beweisen – und kaum einer anderen Plattenfirma wird es wohl möglich sein, eine eigene Ausstellung in einem Museum zu bekommen, wie ECM Ende 2012 im Münchner Haus der Kunst, kuratiert vom unvergessenen Okwui Enwezor

Der opulente Katalog zur Ausstellung

Die „Wall Of Sound“ mit Hunderten von Original- Mastertapes!
Ich habe sie damals eine „Kathedrale der Kultur“ genannt. Den Text hierzu finden Sie auf meiner Seite über Manfred Eicher

 

In dieser Ausstellung wurde auch die typische ECM-Ästhetik dargestellt. Die Covers sind fast durchweg in Schwarz, Weiß und Grautönen gehalten.Es gibt keine unnötigen Verzierungen, keine ornamentalen Figuren. Es gibt keine verspielte Typographie, stattdessen eine schlichte Gebrauchsschrift. Nichts drängt sich in den Vordergrund, stets ist die Musik der Hauptdarsteller. Es ist wie in der Architektur: wenn der Baukörper überzeugend gestaltet ist, braucht es keine Fassadenverzierung.
Dementsprechend ist auch das Klangbild von ECM-CDs angelegt. Hin und wieder hört man den Vorwurf, die CDs klängen „kalt“, „trocken“ oder „akademisch“. Das trifft aber nicht zu. Auf ECM-CDs ist der reine, pure Klang zu hören, so wie er aus Instrumenten oder Kehlen kommt. Ein Klang ohne Geschmacksverstärker, ein Klang der auch Stille mit einschließt und hörbar macht. So beginnen ECM-CDs obligatorisch stets mit 5 Sekunden Stille und ein Stück ist erst zu Ende, wenn der letzte Ton wirklich verklungen ist (was bisweilen erstaunlich lange dauert).
Manchmal sagten Kunden zu mir: „diese Feinheiten höre ich doch sowieso nicht“. Und ich erwiderte: „Sie hören sie vielleicht nicht, aber Sie spüren sie“.

 

Für uns im SHIROKKO war das Label ECM als musikalischer Wegbegleiter immer präsent, wenngleich auch mit wechselndem Verkaufserfolg. Das Jahr 2009 brachte aber ein entscheidendes Ereignis: mit Anouar Brahems „The Astounding Eyes Of Rita“ erschien eine CD die optimal in unser Programm paßte und zu unserer meistverkauften ECM-CD überhaupt werden sollte. Das machte uns noch neugieriger und wir konnten unsere Begeisterung den Kunden sehr gut vermitteln.

Im Sog der Ausstellung im Haus der Kunst gab es für uns kein Halten mehr. Wir gestalteten Laden und Schaufenster ganz im Stil der ECM-Ästhetik und so wurde die Musik dieses Labels bis zur Schließung im Januar 2016 unser wichtigstes und schönstes Produkt, mit großen Verkaufserfolgen.

Deshalb verdanke ich ECM eine ganze Menge. Ohne deren fabelhafte Werke hätten wir unseren Laden wohl viel früher schließen müssen. Ohne diese Werke hätten wir und unsere Kunden wohl so manchen sensiblen musikalischen Moment verpaßt.
Das Allerwichtigste aber: ohne die freundschaftliche Beziehung zu Manfred Eicher und dem gesamten ECM-Team wäre unser herzblut-gesteuertes Engagement, ja unser unermüdlicher täglicher Einsatz nur halb so schön gewesen.

Daß diese Freundschaft bis heute, auch ohne das SHIROKKO, anhält, dafür gibt es nur ein einziges passendes Wort: danke.

Lesen Sie hier auch meinen Text über Manfred Eicher
Verfaßt von Gerhard Rühl am 24. November 2019 anläßlich des 50-jährigen Jubiläums von ECM.

Hinweis: Am Ende dieser Seite finden Sie die Adresse des ECM-Showrooms und weitere Infos.

Nun aber erst noch ein paar CD Empfehlungen. Es ist schier unmöglich, aus dem umfangreichen Programm von ECM ein paar wenige Highlights herauszusuchen. Ich will dennoch versuchen, wenigstens 10 CDs zu benennen, die mir im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen sind, es könnten aber auch genauso gut 50 oder 100 sein.
(Weil eine Bewertung relativ unsinnig ist, in alphabetischer Reihenfolge).
Die Hörbeispiele sind, bis auf 2 Ausnahmen, der Website von ECM Records entnommen. Sie erhalten dort ausführliche Infos über die entsprechenden CDs, scrollen Sie nach unten finden Sie ca. 30 Sekunden lange Hörproben.

Anouar Brahem : The Astounding Eyes Of Rita
Wie schon erwähnt: keine andere CD von ECM hat mich (und unsere Kunden) jemals so bewegt, ihr Zauber ist auch zehn Jahre nach Erscheinen keineswegs verflogen. Sehen Sie vor allem das Live-Video!

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038751883/the-astounding-eyes-of-rita-anouar-brahem

Video: https://www.youtube.com/watch?v=zU5WU_d7fsM

 

Tord Gustavsen Quartet : Changing Places
Auf CD und in Konzerten hat mich der norwegische Pianist vor allem in seinen so ruhigen und entspannten Stücken total begeistert.

 

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038751692/changing-places-tord-gustavsen-trio

 

 

Anja Lechner & Vassilis Tsabropoulos : Chants, Hymns, Dances
Zusammen mit dem griechischen Pianisten hat die Cellistin Anja Lechner hier vornehmlich Musik von G.I. Gurdjieff bearbeitet. Ein emotionaler Hochgenuß!

 

 

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038752464/chants-hymns-dances-anja-lechner-vassilis-tsabropoulos

 

 Keith Jarrett : Concerts (Bregenz & Munich 1981)
Aus der Vielzahl von Jarretts Aufnahmen eine einzige hervorzuheben ist schier unmöglich, dennoch möchte ich dieses Livekonzert sehr empfehlen (vielleicht, weil ich damals zugegen war…)

 

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038752119/concerts-bregenz-munchen-keith-jarrett

 

Eleni Karaindrou : Eternity And A Day
Die Musik zu einem Film von Theo Angelopoulos (mit Bruno Ganz) ist ein besonders schönes Beispiel dafür, daß Eleni Karaindrou bewegende zeitgenössische Klassik komponiert.

Hörbeispiele (allmusic): https://www.allmusic.com/album/eternity-and-a-day-original-film-soundtrack-mw0000666582

Video: https://www.youtube.com/watch?v=0pjJLwiB0Nk

 

Nik Bärtsch’s Ronin : Holon
Mit seiner hypnotischen und genial strukturierten Musik hat sich der Schweizer Pianist mit seiner bewährten Band in mein Herz gespielt. Aufregender und spannender kann Musik kaum sein!?

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038751849/holon-nik-bartschs-ronin

Video: https://www.youtube.com/watch?v=74dPldwWSuc

 

Bobo Stenson : Indicum
Schon von Beginn an war Bobo Stenson ein wichtiger ECM-Interpret. Sein wunderschönes Klavierspiel ist selbstsicher entspannt und trägt bisweilen fast sakrale Züge.

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038752764/indicum-bobo-stenson-trio

 

 

Anja Lechner & François Couturier : Moderato Cantabile
Mit dem französischen Pianisten hat Anja Lechner ein besonders gelungenes Beispiel dafür abgeliefert, wie intensiv und intim das Zusammenspiel zweier Ausnahmemusiker klingen kann.
Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/143038752876/moderato-cantabile-anja-lechner-francois-couturier

Video: https://www.youtube.com/watch?v=DIuT_NCeCtw&list=PLkKbVmUK3RrX1tTiAw-SZyEWF_wapVcvp&index=4

 

Manu Katché : Neighbourhood
Der geniale Schlagzeuger Manu Katché hat eine illustre Truppe um sich geschart, u.a. Jan Garbarek und Tomasz Stanko. Der eigentliche Star dieser CD ist für mich jedoch der Pianist Marcin Wasilewski.

Hörbeispiele (allmusic): https://www.allmusic.com/album/neighbourhood-mw0000355826
Video: https://www.youtube.com/watch?v=7zSsLvWLfKI

 

Marcin Wasilewski Trio : Spark Of Life
Mit seinem gleichzeitig energetischen und auch sehr emotionalen Spiel ist der polnische Pianist zu einem meiner absoluten Lieblingsmusiker geworden.

Hörbeispiele: https://www.ecmrecords.com/catalogue/1448375935/spark-of-life-marcin-wasilewski-trio-joakim-milder

Video: https://www.youtube.com/watch?v=twBcGa-SMZ8

 

Das ECM-Headquarter befindet sich in Gräfelfing, einem Münchner Vorort im Westen, in einem Gewerbegebiet in der Pasinger Straße 94. Rechts neben dem Techno-Markt gehen Sie in den 2. Stock, dort ist der ECM-Showroom (in Kooperation mit der Bio-Lebensmittel-Marke La Selva (!).

Im Showroom können Sie sämtliche jemals erschienenen CDs, Vinyl, DVDs und Bücher erwerben. CDs können Sie dort auch probehören.

Die ECM-Website: www.ecmrecords.com

ECM auf facebook: https://www.facebook.com/groups/2371397022/

 

 

 

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