Jeder Plattenhändler kennt es, wenn Kunden einen Titel oder einen Künstler falsch aussprechen. Es gibt Klassiker, wenn zum Beispiel aus „Guantanamera“ „Gwand hamma mehra“, oder aus dem „Zwischenspiel aus Nôtre Dame“ die „Zwischenlandung in Rotterdam“ wird. Gerne erinnere ich mich auch daran, wenn Kunden etwas von „Astor Pizzaiola“, „Barolo Conte“ oder „Fred Langusto“ verlangen. Die Verbindung von Musik und Kulinarik hat uns ja schon immer interessiert.
Eine Weile haben wir solche Versprecher in ein Buch geschrieben, haben das dann aber wieder aufgehört, weil man sich über Fehlleistungen von Kunden nicht lustig machen soll, die sich vielleicht nur verhört haben (Axel Hacke hat eine ganz Sammlung solcher Beispiele), oder die vielleicht nur Probleme mit Fremdsprachen haben.
Einen Bestellzettel eines Kunden möchte ich Euch aber nicht vorenthalten. Dieser bedauernswerte Mensch konnte offenkundig kein Englisch und hat deshalb alles lautschriftlich aufgeschrieben:
Das ist so tragikomisch, daß einem das Lachen im Hals stecken bleibt.
Aber wenn aus „I’ll be home“ von Pat Boone „Eil bi hom“ von Pat Bonn wird, ist es doch wieder lustig, oder?
Und köstlich ist auch „Roll ofer Betonen“ von „Cäck Berri.“
Gemeint ist „Roll Over Beethoven“ von Chuck Berry.
Daß auch Profis vor solchen Fehlleistungen nicht gefeit sind, zeigte der Südwestdeutsche Rundfunk auf seiner Website:
Weil uns der Ruf vorauseilt, daß wir uns in Musik gut auskennen, kommt es häufig vor, daß uns Kunden ein Lied vorpfeifen oder –singen, in der Hoffnung, daß wir wissen, um welchen Titel es sich handelt. Solche Momente kann man schwer schriftlich schildern, aber mit der wohl köstlichsten Situation will ich es dennoch versuchen:
Ein Ehepaar mittleren Alters betritt den Laden.
Er sagt: „Ich suche den Harley-Davidson-Song“.
Ich sage: „Ich kenne keinen Harley-Davidson-Song. Lediglich ein Lied von Serge Gainsbourg, das so heißt“.
Er: „Ganz bestimmt kennen Sie denn Song, das war ein Riesenhit in den Siebzigern“.
Ich: „Tut mir leid, da kann ich mich nicht daran erinnern“.
Er wieder: „Garantiert kennen Sie das Lied, das war von einer blonden Sängerin, aber mir fällt der Name nicht ein“. Ich schüttle ratlos den Kopf.
Da faßt sich die Gattin ein Herz. Sie beginnt zu singen:
„It’s a Harley, nothing but a Harley“. Nach der Melodie von Bonnie Tylers „It’s a heartache“ !
Als ich im Augenwinkel sehe, wie meine Mitarbeiterinnen langsam hinter der Theke verschwinden, weiß ich: jetzt muß ich ganz stark sein und ernst bleiben.
Manchmal verlangen auch Kunden ganz seltsame Musik, bei der ich nicht weiß, wie sie auf solche Ideen kommen. Wie zum Beispiel „Brahms-Lieder von Schubert“, „Beethovens Violinkonzert für Orgel“, „bayrische Meditationsmusik“, „Gesänge von Buckelwalen in Deutsch“.
Oder „Schlager aus Ladakh“. Die haben wir zwar nicht, aber wir erfinden welche, wie zum Beispiel „Ganz Ladakh träumt von der Liebe“, „Ich hab noch einen Koffer in Ladakh“, „Weisse Rosen aus Ladakh“, „Fly Me To Ladakh“ oder „Oh mein Ladakh“ nach der Melodie von „Oh mein Papa“.
Dann gibt es noch Kunden, die Musik für einen bestimmten Zweck suchen. Wie zum Beispiel eine Tanzpädagogin, die schreibt:
„Ich plane eine Kindertanzaufführung mit Tanznummern, die von Erwachsenen getanzt werden sollen. Beschreibung: Der Winter herrscht und wird anschliessend vom Frühling vertrieben. Die erste Musik des Winters stelle ich mir eisig, klirrend kalt vor. Der Frühling tritt anfangs zaghaft, dann aber immer überzeugender auf und übernimmt schliesslich die führende Rolle. Der Frühling soll sich zu leichter, erfrischender Musik bewegen“ Und sie schreibt weiter: „Ich weiss nicht, ob Sie mit diesen Angaben etwas anfangen können. Bitte teilen Sie mir mit, wenn Sie mir einen konkreten Musikvorschlag machen können“.
Nein, das konnten wir nicht.
Am Verwunderlichsten finde ich aber, wenn Leute Dinge suchen, die nun gar nichts mit unserem Laden zu tun haben. Im Laufe der Jahre wurden wir beispielsweise gefragt nach – und das ist nur ein winzig kleiner Auszug aus unseren Aufzeichnungen -:
Alpenvereinsführer Karwendel, Thermoskannen, Schlafbrillen, Vögel zum Aufziehen, Kaffeekanne in Form einer Katze, Zapfhahn für Bierfaß, Schwimmflügel für Kinder, orientalische Zahnbürsten, einzelne Strümpfe, Fachbuch für Dackel, Karottenöl, Postkarten von Mittenwald, Tube Deckweiß, Gamaschen, Straßenverkehrsordnung, subtropische Liegestühle, Gummidichtung für Badewanne…..
Wir haben im Laufe der Zeit im SHIROKKO alles Mögliche verkauft, aber da mußten auch wir passen.
Eines Tages betritt Mario Adorf den Laden. Was für ein imposanter Herr, bestens gekleidet in Mantel und weißem Schal. Ich bin wie verzaubert von diesem Besuch und bin gespannt, wonach er jetzt fragen wird. Er sagt: „haben Sie einen Ersatzakku für mein Handy“?
In über vier Jahrzehnten waren wir stets bemüht, unseren Kunden zu helfen, und sei es auch nur mit einer Auskunft. Wenn wir zum Beispiel nach dem „Serviergewölbe“ gefragt wurden (gemeint war das Zerwirkgewölbe). Eine Mitarbeiterin schickte einmal einen Kunden, der zu Hieber am Dom wollte, mit der Beschreibung los“ der Dom ist die Frauenkirche mit den zwei Türmen, wo’s Rathaus innen drin ist.“ Wir haben uns von der Mitarbeiterin bald getrennt.
Die am häufigsten gestellte Frage war natürlich „wo ist das Hofbräuhaus“. Unser Freund Domenico weiß das und so kommt er eines Tages in den Laden und fragt mich „können sie mir sagen, wo das Hofbräuhaus ist?“. Ich sage: „wo es ist weiß ich nicht, aber ich weiß wie Sie hinkommen. Sie gehen in die Maximilianstraße, fahren mit der Trambahn bis Max-Weber-Platz, dort steigen Sie in die U-Bahn Richtung Odeonsplatz“.
Ehe ich weiterreden kann, mischt sich ein Kunde ein.“Also jetzt reicht’s, das kann ich nicht mehr mit anhören, was erzählen sie da für einen Unsinn“.
Domenico und ich explodieren fast vor Lachen.
Ja, wir haben wirklich viel gelacht im SHIROKKO.
Gerhard Rühl, 26. Februar 2017