Die Vorbereitungen laufen

Ein eigener Laden, welch schöne Aussicht für Irmgard, die sich bei Foto-Schwabing ohnehin nicht mehr allzu wohl fühlte, sie war eher unterfordert. Und Schwabing stand damals schon auf der Kippe, allzu kommerziell zu werden, zumindest unserer Ansicht nach.

Geld hatten wir keins, aber Mut und Zuversicht ohne Ende. Das war schließlich ein Charakteristikum jener Zeit. Aufbruchstimmung war angesagt. Man blickte nach vorne, wollte etwas auf die Beine stellen.
Und dann noch ein Laden im Zentrum!  Also machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt, um die Räume zu begutachten.
Welcher Schock. Eine absolut langweilige und verschnarchte Straße mit ebensolchen Anwohnern. Alles dunkelgrau, fast vorkriegsmäßig. Dazu noch jede Menge Etablissements, an denen man – zumindest als Frau – bei Dunkelheit besser nicht vorbeigehen sollte. Aber irgendwie trieb uns dieser Umstand erst recht an, denn hier konnte man noch etwas bewirken, ein Zeichen setzen.

Den vorderen Raum, ein ehemaliges Dirndlgeschäft, hatten unsere Geschäftspartner von O&P komplett schwarz gestrichen, vom Heizkörper bis zur Türklinke, damit die knallbunten Posters besser zur Geltung kamen. In einem kleinen Raum hing eine UV-Lampe, die nachts die topaktuellen Blacklight-Posters bestrahlte.

Als Gegenpol entschließen wir uns, den hinteren Raum, Irmgards neues Refugium, in olivgrün zu streichen. Die Möbel, selbstverständlich selbst gebaut, in Rot. Als Sitzgelegenheit dienen alte Matratzen, in der Mitte des Raums ein Sitzsack aus schwarzem Kunstleder, gefüllt mit Styroporkügelchen. Ein Blumentopf mit Vogelsand ist der Aschenbecher, in der Ecke steht ein Samowar, aus dem sich die Kunden bedienen dürfen. Geld für Vorhänge haben wir keines, also kaufen wir silberglänzende Rettungsfolie.
Die teuerste Anschaffung sind zwei Lautsprecherboxen Elac LK-4000 für 450 Mark, das Stück wohlgemerkt. Das ist mehr, als Irmgard bei Foto-Schwabing im Monat verdient hat. (Die Ausgabe hat sich aber gelohnt, denn die Boxen leisteten mir 45 Jahre lang gute Dienste und klingen noch heute erstklassig. Sie haben ja auch alle Arten von Musik über sich ergehen lassen müssen, von Frank Zappa bis Keith Jarrett).
Wir leisten uns auch gute Plattenspieler und Verstärker. Die noch installieren, dann kann’s losgehen.
Doch halt, es muß ja noch ein Name her!
Wir überlegen und überlegen, zermartern uns die Köpfe, kommen auf immer abenteuerlichere Ideen, ich mache jede Menge Entwürfe, wie zum Beispiel diese:

 

ein ernsthafter Entwurf?
Na ja, indische Musik war ja seit den Beatles einigermaßen populär – aber HareRama Records?

 

 

 

 

 

Nein, progressiv sollte es sein – das Schlagwort der damaligen Zeit. Wie froh ich bin, daß wir diesen Namen nicht gewählt haben…

 

 

 

 

 


SHIROKKO

Da kommt Irmgard auf den rettenden Einfall: shirokko.
Wir verbrachten zur damaligen Zeit regelmäßig unsere Urlaube auf der Insel Elba. Immer wenn wir dort waren, hörten wir das Wort scirocco, es hat sich förmlich eingebrannt. So wie die Münchner stets unter dem Föhn leiden, jammern die Elbaner über den warmen Südwind scirocco, der mindestens Kopfweh macht, wenn nicht gar „carussello“.
Allerdings war in Deutschland damals die italienische Sprache nicht sehr geläufig (man hört ja sogar heute noch gelegentlich jemand Prosetscho sagen…). Wir befürchten also, daß das Wort in der richtigen Schreibweise eher zu Fehlern wie „Skirokko“ oder gar „Skirotzo“ führen würde, also müssen wir es internationalisieren, so daß es auch z.B. von Engländern leicht ausgesprochen werden kann.

Und alsbald mache ich mich daran, den Schriftzug zu konstruieren. Das hat man damals noch mit Bleistift und Papier, mit Lineal und Zirkel gemacht. Um etwas Dynamik reinzubringen, mische ich große und kleine Buchstaben. So sieht dann auch der erste SHIROKKO-Schriftzug aus. Es sollte nicht der letzte werden…

Originalentwurf vom 25. März 1970

Alles paßt, alles ist bereit. Da kommt die Schreckensmeldung. Unsere „Partner“ wollen eine Umsatzbeteiligung!
Irmgard ist erbost, das war ja nicht ausgemacht und es würde ihre Chancen auch gleich wieder zunichte machen. Sie erklärt, aus der Sache auszusteigen und sich einen eigenen Laden zu suchen.
Doch in buchstäblich letzter Sekunde läßt Günter Albert, Chef von O&P, von seinem Vorhaben ab, weil ihm Thomas Althoff gesagt hatte, daß das doch „zu ausbeuterisch“ sei.

Gerettet. Es kann losgehen. Daß die Geschichte mit unseren Geschäftspartnern noch einige Überraschungen bringen würde, können wir nicht ahnen.
Doch das, um es mit Luis Trenker zu sagen, erzähl‘ ich Euch das nächste Mal…

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Verfaßt von Gerhard Rühl am 10. Januar 2017

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