Die Muffathalle

Im Sommer 1993 wurde die Muffathalle eröffnet, im Gebäude eines ehemaligen Kraftwerks direkt an der Isar, hinter dem Müllerschen Volksbad.
Dort, in der Turbinenhalle, haben Angestellte der Stadtwerke gelegentlich Tennis gespielt. Keine wirklich sinnvolle Nutzung für solch ein schönes Ambiente. Nach langem Kampf – und wohl auch parteipolitischem Geplänkel –  erhielten die Betreiber Dietmar Lupfer und Christian Waggershauser den Zuschlag als Betreiber, weil sie ein solides Konzept vorlegten, das bis heute überzeugt.

 

 

      

 

In kürzester Zeit entwickelte sich die Muffathalle zur schönsten und besten Halle Münchens für Konzerte. Nicht nur die optimale Größe (und Raumhöhe), der schöne Fußboden und die tolle Atmosphäre machten die Halle zu einem wundervollen Ort. Es war vor allem das Team, das die Muffathalle zu einem besonderen Konzertsaal machte. Hier waren die Gäste wirklich Gäste, sie waren willkommen anstatt geduldet.

Ich habe dies hautnah miterlebt, denn wir hatten von 1994 bis 1999 sehr oft Verkaufsstände in der Muffathalle und fühlten uns da immer auch als Teil des Teams. Egal ob es sich um Rock- oder Weltmusikkonzerte handelte, die Mitarbeiter wurden regelmäßig auf den Abend und auf das durchaus unterschiedliche Publikum förmlich eingeschworen. Man wußte eben einzuschätzen, wie sich Latinos oder Afrikaner benehmen würden, wenn sie „ihre“ Helden bewundern würden. Das mag jetzt nach Vorurteilen klingen, ist es aber nicht. Man hat sich eben schon im Vorfeld auf die Gäste und deren Eigenheiten und Wünsche eingestellt, hat im „Muffatcafé“ entsprechende Speisen vorbereitet und so für eine Atmosphäre gesorgt, in der sich jeder wohlfühlen konnte. Meistens jedenfalls.

In den goldenen Zeiten der sogenannten Weltmusik haben wir weit über einhundert Konzerte in der Muffathalle besucht und waren immer begeistert. Wir haben großartige Musiker und Bands gesehen, die Stars der internationalen Szene von den Afro Cuban All Stars bis Zap Mama, darunter sehr viele brasilianische Künstler. Besonders die Konzerte mit afrikanischen Musikern waren eindrucksvoll, erst recht wenn Günter Gretz als DJ angesagt war.

 

 

 

 

Günter Gretz stammte aus Frankfurt, er hatte ein eigenes Plattenlabel für westafrikanische Musik. Unvergeßlich, wie er seine Anlage aus seinem Kombi holte, in dem er aus Holz und Schaumstoff extra Einbauten gemacht hatte, um alles fein säuberlich und sicher zu verstauen. Dann lud er alles auf einen Transportwagen und baute akribisch seine Gerätschaften auf. Die Tonarme der Plattenspielern mußten als letztes eingebaut werden;  obwohl Günter natürlich Vinyl auflegte, hatte er aber auch CD-Player und einen DAT-Recorder dabei, ebenso wie eine eigene Beleuchtung. All das installierte Günter in unglaublicher Ruhe und Souveränität, stets dabei auch ein Zigarillo und, vor allem, Rotwein. Derartig ausgerüstet erfreute er uns dann mit allerfeinsten Klängen. Welch ein Unterschied zu so manchem Discjockey, der hektisch nach dem nächsten Titel suchte, ganz zu schweigen von DJs, die mit dem Laptop auflegen.
Es war immer ein Genuß, Günter Gretz, der damals sicher „schon über 50“ war,  nicht nur zuzuhören sondern auch zuzusehen. Bei einem Konzert von Sam Mangwana sind wir derart aufgeputscht bis in die frühen Morgenstunden geblieben, wobei die beträchtliche Menge braunen Tequilas ihr Übriges tat.

 

Kein Wunder, daß wir uns hier wohl fühlten. Anläßlich des 3. Geburtstags der Halle haben wir dann auch ein Riesenplakat aufgehängt.

 

 

 

 

 

 

In diesen Zeiten, als es noch schöne Hardtickets statt langweiliger Computerausdrucke gab, haben wir regelmäßig auch Karten für die Muffathalle verkauft, wir standen mit den Veranstaltern stets in engem Kontakt, und sei es nur, um die Chancen eines Konzerts vorher einzuschätzen. Da lagen wir nicht immer ganz richtig – bei einem Konzert waren wir aber ganz sicher: bei Rubén González‘ erstem Auftritt in München. Wir orderten also Karten für ganze Stuhlreihen, aber immer mit Zwischenraum, damit es nicht so auffällt. Weil wir die meisten unserer Kunden persönlich kannten, haben wir sogar Pläne gemacht, wer wo (und neben wem) sitzt. Mit dem Effekt, daß wir beim nächsten Konzert hörten: „darf ich wieder in die SHIROKKO-Südkurve?“. Ja, das waren wirklich Heimspiele.

Wegen ihrer besonderen Atmosphäre ist die Muffathalle stets ein Ort, den man jedem empfehlen kann – ordentlich, professionell und sicher. Auch bei Musikern ist die Halle stets sehr beliebt, sie kommen gerne wieder. Im Jahr 2003 gastierte Jane Birkin dort. Nach einem unwiderstehlich charmanten Auftritt bedankte sie sich mit den Worten „thank you, Muftahalle“.

Was den meisten Besuchern verborgen bleibt: die Betreiber hatten es nicht gerade leicht. Die Garderoben und Lagerräume waren viel zu klein, als Büro diente ein kleiner Bau in der Lilienstraße. Nach langem Hin und Her durfte man dann endlich auch die vorderen Räume des Gebäudes nutzen. Nun hatte man endlich Platz für Gerätschaften, Garderobe und Verwaltung. Und man konnte, im Jahr 2005, einen zusätzlichen Raum eröffnen: das Ampère. Auch das ein sehr geglücktes Beispiel, wie man einen Raum mit Atmosphäre füllen kann – für „kleinere“ aber nicht minder wichtige Konzerte.
Damit ist aus der Muffathalle das Muffatwerk geworden.

So ist das Muffatwerk mit seinem abwechslungsreichen Programm seit nunmehr fast 25 Jahren ein wichtiger Bestandteil der Münchner Kulturszene, und – ich behaupte – nach wie vor die schönste und beste Location. Eine Location, die weit über München hinaus beliebt ist.

Lieber Christian, lieber Dietmar, liebe Elke, liebe Babsy, und all die anderen!
Wir bedanken uns für viele Jahre fabelhafter Zusammenarbeit und Freundschaft. Es war immer sehr schön bei Euch und mit Euch. Auch wenn es das SHIROKKO nicht mehr gibt – wir kommen wieder, versprochen!

Gerhard Rühl, im April 2017

Nachtrag
Am 18. September 2018 fand in den Räumen des Ampère eine große Feier anläßlich des 25. Geburtstages des Muffatwerks statt. Dabei wurde erneut klar, wie wichtig diese Institution ist, deren Credo stets die Toleranz und Weltoffenheit waren und sind. Mit seinem vielfältigen Programm, das keinerlei Berührungsängste oder Scheu vor Neuerungen kennt, ist das Muffatwerk gerade in Zeiten wachsender Abgrenzungen enorm wichtig.

 

 

 

 

Und ich füge hinzu:
Das Muffatwerk ist einzigartig.
Einzigartig wegen der wunderbaren Bausubstanz, die behutsam den modernen Anforderungen angepaßt worden ist.
Einzigartig wegen der herausragenden und mutigen Programmgestaltung.
Einzigartig vor allem aber wegen der Menschen, die dahinter stehen, vorbildliche Arbeit leisten und dabei niemals das menschliche Maß aus den Augen verlieren.
Danke dafür!

Gerhard Rühl, im September 2018

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