Die Düüls

Im Jahr 1967 erschien eine Schallplatte mit dem Titel:
Hapshash And The Coloured Coat Featuring The Human Host And The Heavy Metal Kids.
Diese LP war in jeder Hinsicht richtungsweisend, nicht nur wegen des langen Titels, sie war auf rotes Vinyl gepresst! Hinter den Heavy Metal Kids verbargen sich die Musiker, die später die legendäre Gruppe Spooky Tooth bildeten. Musikalisch war diese LP ein Meilenstein, eine der ersten psychedelischen Aufnahmen. In langen Stücken entwickelten die Musiker einen unwiderstehlichen Sog, nicht so spacig wie die frühen Pink Floyd und nicht so raffiniert wir Frank Zappa, aber eben: einzigartig und deshalb ein großes Vorbild für so manche Band …

Etwa zur gleichen Zeit trafen sich in München Musiker und Kunststudenten und gründeten das Kollektiv Amon Düül als lose Gruppe, die in wechselnden Besetzungen bei Happenings und Festen auftrat. Recht bald spaltete sie sich das Kollektiv in zwei Gruppen. Die eine formierte als Amon Düül, verlegte ihr Schaffen eher nach Berlin, wo sie Kontakte zur Kommune 1 hatte.
Die andere, „unsere“, Gruppe waren AMON DÜÜL II, die wir alle liebevoll nur „die Düüls“ nannten.
Den Kern der Düüls bildeten zunächst die sympathische Frontfrau Renate, Chris Karrer (Violine), John Weinzierl (Gitarre), Dave Anderson (Bass), Falk Rogner (Orgel) und Peter Leopold (Schlagzeug). Dazu kamen im Laufe der Zeit immer wieder wechselnde Gäste und Mitglieder, wie zum Beispiel Bassist Lothar Meid.

Die Geschichte der Düüls ist derart lang, umfangreich und auch von vielen Ereignissen geprägt, daß ich mich hier kurz fassen will (sobald es die Zeit erlaubt, werde ich mal eine längere Düül-Story in Angriff nehmen).

Nachdem die Düüls sich bei vielen spontanen Auftritten einen Namen gemacht hatten, traten sie ab Ende 1968 regelmäßig jeden Montag im PN in der Leopoldstraße auf. Sie bewarben diese mit selbst im Siebdruck angefertigten Plakaten, jedes ein Unikat, auf denen stand „kommet zuhauf“ und „da geht Euch der Hut hoch“. Ich habe eines dieser Plakate jahrelang aufbewahrt, aber es ist leider nicht mehr aufzufinden… Lediglich dieses Riesenposter (80 x 240 cm) besitze ich noch, ich glaube, es wurde von Falk gemalt.

Doch zurück zu den Düüls. Sie waren mittlerweile die local heroes geworden, ihre Montagsauftritte zogen Hunderte von Fans an, die, in lange Mäntel gekleidet, beobachteten, was da auf der Bühne passierte. Das war sympathisch chaotisch, es ging nicht darum, ob das nun „gut“ ist. Es war authentisch und vor allem dynamisch, spontan und kraftvoll – und es war spannend, denn man wußte nicht, was so alles passieren würde. Ähnliche Erlebnisse hatten wohl nur Freunde des Free Jazz. Und Ähnlichkeiten mit der eingangs erwähnten Musik von Hapshash… waren unverkennbar.

Recht schnell freundeten sich die Düüls mit Irmgard an, die sie regelmäßig mit den neuesten Scheiben aus Amerika versorgte. Selbst wenn sie keine Platte kauften, lohnte sich ein Besuch bei Foto-Schwabing immer, und sei es nur, eine Zigarette zu rauchen und zu plaudern oder zu diskutieren.
Irmgard setzte es sich in den Kopf, für die Düüls einen Plattenvertrag zu besorgen, machte eine Unterschriftensammlung und bequatschte jeden, der in der Branche tätig war. Die zauderten und zögerten alle, schließlich erklärte sich aber die Firma Liberty sich zu einem Vertrag und einer Plattenaufnahme bereit. Allein die Begleitumstände zu dieser Aufnahme wären mehrere Kapitel wert, ich bitte deshalb noch um Geduld. Die LP wurde 1969 unter dem Titel „Phallus Dei“ veröffentlicht, auf dem Cover stand: dedicated to Irmgard Weigelt.

Deutsche Ausgabe
Phallus Dei in der englischen Ausgabe – heute eine gesuchte Rarität!

Amon Düül II war unumstritten die Nummer 1, nicht nur in München, sie waren mittlerweile deutschlandweit bekannt und beliebt. Lediglich die Gruppe CAN konnte da in Punkto Berühmtheit noch mithalten. Musikalisch war CAN (mit Irmin Schmidt, Holger Czukay, Michael Karoli und Jaki Liebezeit) sicherlich höher einzuschätzen, aber Musik ist ja kein sportlicher Wettbewerb.
Eines Tages ging die Nachricht wie ein Lauffeuer durch Schwabing: CAN sind in der Leopoldstraße gesehen worden! Mitten im Revier der Düüls!
Es gab zwar eine Rivalität zwischen CAN und den Düüls, aber bestimmt keine Feindschaft. Die beiden Bands sind auch mehrfach bei Festivals aufgetreten, zwar nicht zusammen aber doch gemeinsam.

Die Geschichte der Düüls ging dann noch ein paar Jahre (und ein paar Platten weiter), mit durchaus wechselndem Erfolg. Irgendwann, so Ende der 70er Jahre haben wir uns dann etwas aus den Augen verloren, die Besuche im SHIROKKO wurden leider seltener.

Ende der 90er Jahre begann Renate als Plattenverkäuferin bei Beck am Marienplatz, ganz in unserer Nähe, so schloß sich gewissermassen ein Kreis. Das letzte Mal habe ich Renate gesehen bei einem Konzert von Omara Portuondo in der Muffathalle. Wir haben vorne an der Bühne getanzt und ich sagte zu ihr: „wenn uns das jemand vor dreißig Jahren erzählt hätte“.

Letztlich sind die Düüls gescheitert, an sich selbst, am Zeitgeist, aber auch an Miß-Management, an der zunehmenden Kommerzialisierung und an der ausbeuterischen Musikindustrie. Und dennoch haben sie nie aufgegeben, haben sich immer wieder aufgerafft und immer wieder neu erfunden (auch das eine Parallele zu unserer Arbeit im SHIROKKO). So sind die Düüls schließlich zur Legende geworden, die noch immer andauert, wie die vielen Beiträge von Fans zeigen.

Die liebevollen Worte, die Renate anläßlich des Todes von Lothar Meid Ende 2015 geschrieben hat, zeigen mir: Amon Düül II war nicht nur eine Band, nicht nur ein Kollektiv, es war eine Bewegung, eine Familie. Und es ging um mehr als „nur“ um Musik!

Insofern bin ich froh, zusammen mit Irmgard,  zumindest ein paar Jahre Freund der Düüls gewesen zu sein und ihre Musik bewundert zu haben.
Und ich füge hinzu: ohne die Düüls hätte es das SHIROKKO niemals gegeben.

Gerhard Rühl, 20. Januar 2017

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