Drogen

Drogenmißbrauch in der Jugendkultur, ein heikles Thema. Gar keine Frage waren Drogen damals ein zunehmendes Problem, die Dealer waren auch damals schon Gauner, aber angesichts der heutigen Szene mit synthetischen Drogen waren sie ja fast schon sympathisch.

Ich will nichts verharmlosen, aber in erster Linie rauchte man damals shit und man war dann stoned.
„Einen Joint in Ehren kann niemand verwehren“ war ebenso geläufiges Wort wie „Don’t bogart this joint, my friend“. Natürlich gab es auch härtere Drogen, die haben mich zwar nie interessiert, aber ich habe oft  von „acid“ gehört, oder „der ist auf speed“. Recht oft hat man den Leuten schon an den Augen angesehen, wie sie gerade drauf waren. Ich behaupte aber: das war die Ausnahme, nicht die Regel.

Haschisch war in aller Munde, im wahrsten Sinne des Wortes. Jahrelang hat man darüber gestritten, ob man diese Droge legalisieren sollte (legalize it!), noch heute überlegt man, ob Cannabis nicht auch eine heilende Wirkung hat.
Wir haben natürlich nicht geraucht, um gesund zu werden. Aber wir haben auch nicht geraucht, um krank zu werden! Die meisten von uns konnten schon einschätzen, wie weit sie gehen konnten.
Daß es aber Drogenexzesse gab, die viele Todesopfer forderten, ist, so meine ich, weniger die Schuld der Konsumenten als die der Dealer. Das war zu allen Zeiten so, nicht nur in den Sechzigern.

In der Rheinstraße in Schwabing gab es einen Arzt, Dr. Arthur Schäfer. Er war ein Arzt der alten Schule, ein begnadeter Diagnostiker – dazu aber auch ein Freund der schönen Künste. Also wurde seine Praxis nach und nach bevölkert von Künstlern, die ihn auch wegen ihrer Süchte aufsuchten.


Das Rauschgift-Informations-Festival
Am 18. September 1970, ich erinnere mich genau an den Tag, fand im Circus-Krone-Bau ein sogenanntes „Rauschgift-Informations-Festival“ statt. Es wurde veranstaltet von der Schauspielerin Krista Stadler, die auch gelegentlich mit den Düüls im PN aufgetreten ist. Mitwirkende unter anderem der Psychotherapeut Dankwart Mattke und: Dr. Arthur Schäfer.
Schon die Ankündigung ließ Zweifel aufkommen, ob es sich nun um Information für oder gegen Rauschgift handeln würde. Die angekündigten Musikgruppen waren Tangerine Dream, Xhol Caravan, Out Of Focus und Ihre Kinder – eigentlich eher Vertreter der Trip-Musik und wohl keine Interpreten christlicher Lieder…
Dazu immer wieder aufklärerische Reden der Fachleute.

Ingeborg Schober schrieb in der Süddeutschen Zeitung:
„Was den nur tausend Besuchern geboten wurde, war von echter Information weit entfernt“ und „die meisten Jugendlichen kamen nur wegen der Attraktivität zu diesem Festival, selten wegen der Information“
(Anmerkung: diesen Effekt haben wir noch häufig festgestellt).

In der Abendzeitung schrieb Almut Hielscher u.a.
„Fachkundige Schützenhilfe erhielten die OMM-Kämpfer gegen die Droge von Dr. Arthur Schäfer, in dessen Schwabinger Praxis immer mehr Fixer auftauchen“ ,„Dr. Schäfer wies auf die schweren körperlichen und seelischen Schäden der Drogen hin“ und weiter „Schließlich machten die OMM-Leute ihren Zuhörern klar, daß eine Heroin-Welle auf München zukommt – zur Zeit verschenken die Dealer sogar Heroin-Trips, damit sie bald genug Abnehmer haben“.

Von links nach rechts:
Dr. Dankwart Mattke, Krista Stadler, Dr. Arthur Schäfer
Photo: Alfred Haase/Abendzeitung

Mitten in die Veranstaltung platzt die Nachricht:
Jimi Hendrix ist gestorben.

 

 

 

 

Warum, geneigte Leser, schreibe ich all dies so ausführlich? Keineswegs will ich das Drogenproblem auf die leichte Schulter nehmen, ganz im Gegenteil. Wir haben im SHIROKKO zwar Haschisch-Pfeifen und Zigarettenpapier verkauft, aber ganz ohne verführerischen Hintergrund und eher zum Spaß, und sei es nur Spaß an der Provokation. Vom Aufruf zum Konsum von Drogen waren wir aber weit entfernt, schon gar, wenn es um härteren „Stoff“ ging.

Wir haben uns die Drogeninformation der Stadt München in großer Zahl besorgt und haben diese verteilt und verschickt.
Das mag jetzt vielleicht heuchlerisch klingen, war es aber nicht.

Wir wollten eben damals nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auftreten, und wir wollten uns auch nicht auf eine Stufe stellen mit Leuten, die Dinge behaupteten wie z.B. ein gewisser Herr Banol in Publikationen des Hirthammer Verlags:

„Drogen sind in Rockdiscos zu Hause. Eine Disco in München war wenige Tage in Betrieb und schon wurde in mehreren Häusern der Umgebung eingebrochen“

 

oder, noch schlimmer:
„In bestimmten Individuen ruft der Rock u.a. folgende Krankheitsbilder hervor: veränderte emotionale Reaktionen bis zu Frustration und unkontrollierten Gewalttätigkeiten. Verlust der Konzentrationsfähigkeit. Beachtliche Verminderung der Willenskontrolle. Überreizung des Nervensystems, die Euphorie, Beeinflußbarkeit, Hysterie und Halluzinationen nach sich zieht. Ernsthafte Störungen des Gedächtnisses und der Gehirnfunktionen. Hypnotische Zustände. Depressive Zustände jeden Grades, besonders in Verbindung von Rockmusik und Droge. Unwiderstehliche Impulse der Zerstörung, der Verwüstung und des Unruhestiftens, vor allem nach Rockkonzerten.“

Unglaublich, oder? Da gab es doch nur eins: Zappa hören!

Gerhard Rühl, 15. Januar 2017

Nachsatz: Genau in der Zeit, in der ich diesen Beitrag verfasse, wurde das Gesetz verabschiedet, nach dem Cannabis als Arzneimittel für Schmerzpatienten zugelassen wird!

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